Neue Nationalgalerie Berlin, Erweiterung M20

Landschaft, Bühne, öffentlicher Raum

PROJEKTDATEN

In keiner anderen europäischen Stadt zeigte sich, so wie in Berlin – Aufbau und Zerstörung von baulicher Figur, Aufgabe des Raumes, Niemandsland und Stadtaneignung durch die Natur. Wo sonst, wenn nicht hier, könnte die von Hans Scharoun erdachte Stadtlandschaft weiterentwickelt werden?

 

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Der Raum zwischen der Potsdamer Straße, Matthäikirche, Kulturforum und Kammermusiksaal (Philharmonie) wird zu einem öffentlichen Platz und einer lebendigen Landschaft. Anfangs reine Form [Ornament] wird er später in Teilen zur Wildnis und durch Regen, Sonne und seinen vielfältigen Gebrauch wieder auf die Form [Ornament] zurückgesetzt. Dieses Fließen aus der Form heraus und in die Form zurück stellt ein Sinnbild für die wechselvolle Geschichte dieses Teiles von Berlin dar, die im 20. Jahrhundert durch Bildung und Auflösung von Raum, Struktur und Gewissheiten geprägt war.

 

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Schnittperspektive in Ost-West-Richtung

 

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Der Platz bietet ausreichend Raum für die sich rapide ändernden Formen des öffentlichen Gebrauchs. Neben seiner Funktion als Stadtgarten ist er geeignet für Bürgerversammlungen, Märkte und künstlerische Praktiken aller Art.

 

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Der neu hinzukommende Turm beinhaltet den Haupteingang des Museums und integriert das Besucherzentrum des Kulturforums. Als einziges vertikal wirksames Element des Museums, bildet er eine neue städtebauliche Akzentuierung. Durch seine Platzierung nahe der Potsdamer Straße, entsteht sowohl ein räumlicher Dialog mit dem Ensemble von Neuer Nationalgalerie, Kammermusiksaal, St.-Matthäus-Kirche und Gemäldegalerie, wie auch mit der gegenüber liegenden Staatsbibliothek.

 

MZB-10Jedoch wird das Museumsgebäude nicht vollständig unter der Oberfläche belassen. Vielmehr ist der Museumsraum durch seinen Besucherturm und die Lichthöfe mit dem Platz verbunden. Bäume, die in diesen mit Glas umkleideten Gartenzellen stehen, sind nur mit ihre Krone von der Straße aus zu sehen und zeigen dem Passanten merkwürdige, ungewohnte organische Wuchsformen. Das Museum ist ein Archiv und ein Ausstellungsort. Einem Schaulager ähnlich verbindet sich in seinen Innenräumen die räumliche und materielle Ästhetik von Depot und White Cube. Alle erforderlichen Baustandards sind auf ihr absolutes Minimum reduziert.

 

MZB-07aDas Dach des Museums hat eingesenkte Schalen unterschiedlicher Bodentiefe, auf denen sich die Flora und Fauna der Umgebung einnisten und dann sukzessive ausbreiten kann. Zwischen den Schalen ist das Betondach flach und es entstehen dort Wegräume, wo der Gebrauch sie provoziert.

 

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Im Laufe der Zeit wächst die Vegetation aus den Schalen heraus über die Dachfläche und vereint sich mit den Pflanzen, die aus der nächsten Schale herauswachsen. So bekommt die technische Gebäudestruktur die Aura der Kolonisation durch die Natur und es entstehen größere Bereiche, die temporär von Natur besetzt und unzugänglich erscheinen, bis sie bei trockenem Sommer oder durch Pflegeeingriffe wieder auf die geometrischen Umrisse der Schalen zurückgesetzt werden. Bezug genommen wird dabei auf die Scharounsche Idee von „Landschaftlichkeit“, die sich der Geometrie entgegenstellt und eine Metapher von Utopie und Freiheit ist.

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Diversifikation der Pflanzen über die Zeit    © Michael Kleyer

 

Die Pflanzen bilden Habitate für Tierarten der innerstädtischen Biotope, wie Zikaden, Heuschrecken und Vögel. Vielleicht wechseln auch Waschbär, Wiesel und Fuchs aus dem benachbarten Tiergarten in die Vegetationsinseln. Während die Dynamik der Vegetationsentwicklung auf den flachgründigen Böden sehr langsam ist, wird sie auf den tiefgründigen Böden schneller sein und zu raschem Wechsel in dem Vegetationsmustern führen. Sehr trockene Sommer werden die Vegetationsentwicklung immer wieder zurücksetzen und danach erneut entfalten.

 


Diversifikation der Tiere über die Zeit    © Michael Kleyer

 

An diesem Ort, zwischen der Philharmonie und der Staatsbibliothek von Hans Scharoun, der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe und der St. Matthäus Kirche von Friedrich August Stüler, ist kein Platz für ein weiteres Monument. Der neue Museumsbau befindet sich im Zentrum des Kulturforums und bietet auf seinem Dach einen freien, offenen und demokratischen Raum für spontane Nutzungen. Architektur, die das Zusammenleben von Mensch, Tier und Pflanzen nicht nur ermöglicht, sondern fördert.

 

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Im Stadtensemble bleiben Nationalgalerie und Philharmonie die dominanten Repräsentanten der Baukunst des 20. Jahrhunderts. Das Museum wird unter den entstehenden Freiraum gebaut und bildet mit dem Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie eine funktionale Einheit. Es arbeitet als Vernetzer. Neben seiner integrativen Aufgaben auf der Platzebene, bietet es unter der Piazzetta des Kulturforums Verbindungen zu den anderen Museen, der Philharmonie, der Staatsbibliothek und der Tiefgarage.

 


ProgrammErweiterungsbau für die Neue Nationalgalerie Berlin von Ludwig Mies van der Rohe
StatusWettbewerb, nicht realisiert
OrtKulturforum Berlin
AuftraggeberStiftung Preussischer Kulturbesitz, Berlin
FlächeBGF 27.500 m2
TeamIMKEWOELK mit Prof. Martin Prominski, Landschaftsarchitektur, Hannover
und Prof. Michael Kleyer, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, Universität Oldenburg
LeistungenProgramm- und Standortanalyse, Strategische Entwicklung, künstlerisches Konzept, technisches Konzept,
Entwurfsplanung, Visualisierung
Datum2015/16

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