Nekropole: Krematorium, Aussegnungshalle, Gräberfeld, Braunschweig

Topographie als Ort kollektiver Erinnerung, Gedächtnis als Gegenstand sozialer Interaktion

Die Todesthematik als Kreislauf von Werden und Vergehen ist Ausgangspunkt der Überlegungen. Die vorgefundene Landschaftsformation bestimmt den Entwurf der Nekropole. Ein ehemaliger Steinbruch wird zur Kippfigur zwischen Höhle und Erdschoß.

PROJEKTDATEN

 

IWD-22
Der Tod geht uns schlechterdings nichts an, Skizzen, Aquarell und Tusche, 35 cm x 56 cm, 1993

 


Konzeptkiste

 


Luftbild Nussberg, Braunschweig und Konzeptskizze

 


Situationsplan

 

IWD-04

 

IWD-17

 

IWD-14

 

 

Grundriss Erdgeschoss (1: Eingangshof, 2: Aussegnungskapellen, 3: offene Kapelle)

 


Ansicht und Längsschnitt (1: Eingangshof, 2: Aussegnungskapelle)

 


Blick in den Eingangshof

 

IWD-10
Aussegungskapelle

 

IWD-21

 


Offene Kapelle

 

IWD-13
Zugang Urnenfeld

 

IWD-15
Detail Außenfassade mit Bewuchs

 


Quellen

 

Leben als Kreislauf

Nietzsches Gedanke vom „Leben als Ausnahmezustand des Todes“ bedeutet ein Verständnis des Lebens als Kreislauf mit gemeinsamen Ausgangs- und Endpunkt. Die Nahtstelle von Ausnahme- und Urzustand sind Zeugung, Geburt und Tod. Diese Verwandtschaft von Tod und Geburt, die für die Trauernden ein Gefühl von Hoffnung bedeuten kann, wird zur Grundlage des Entwurfs: Der Lageplan zeigt eine Frau. Zentraler, alle Bewegungen fangender Ost ist der im Zentrum liegende ehemalige Steinbruch. Als „Höhle“ markiert er den Schoß der Erde. Der Berg wird zum Bild für den „Urzustand“ im Sinn Nietzsches.

Die Architektur bzw. die Form entwickelt sich aus „ihr“, dieser Materie, als der männliche Teil des Ortes selbst. C.G. Jung weist auf den weiblichen Charakter des „kollektiv Unbewussten“ hin, das in der Mythologie als der Archetyp „Mutter“ erscheint, während der Vater das „kollektive Bewusstsein“, den traditionellen Geist repräsentiert. Ein Ganzheitliches Verständnis menschlicher Existenz bedingt aller die Zusammenführung des Intellektes mit der Kraft des Irrationalen, also des männlichen mit dem weiblichen.

Die Formensprache des Krematoriums und der Aussegnungshallen entwickelt sich aus der Beschäftigung mit Militärarchitektur. Dieser überraschende Ansatz begründet die Entdeckung ähnlicher Entwurfsparameter (Verschmelzung mit Landschaft, Funktionalität, Sicherheit). Das Gebäude ordnet sich der Topographie unter. Es besetzt ein vorhandenes Plateau und „taucht“ soweit aus dem Boden auf, dass die Erkennbarkeit der Gebäudeinhalte gewährleistet ist. Sowohl die technisch – funktionalen als auch die kultisch – sakralen Aspekte der Aufgabe kommen zum Ausdruck. Ihre konkrete, entwurfliche Entsprechung finden sie in der linearen, rationalen und „fabrik“ – ähnlichen Anordnung der Funktionsabläufe und deren Ästhetisierung im Bild der drei Schornsteine einerseits, sowie dem Flügel anderseits, der als Meditationsraum und Prozessionsweg zum Symbol der Hoffnung wird.

In der christlichen Religion wird der Flügel häufig mit der Figur des Engels verknüpft. Er wird als Hinweis auf den Einbruch des Überwirklichen gedeutet. Die Moderne mechanistische Welterklärung mit der Einsicht von Ursache und Wirkung hat zwar den Glauben an den Engel erschüttert, nicht aber seine Symbolbedeutung als Mittler zweier Seinsebenen. Der trauernde benutzt bei seinem Besuch einen Rundweg der ihn, einem Filterungsprozess gleich, auf den Krematoriumsbesuch vorbereiten. Erst nach den Verlassen des Gebäudes wird das Tal, der Ort der Geburt, sichtbar. Es wird von Grabfeldern umschrieben, die über freie Wegbeziehungen verlassen werden können. Verkehrsanbindungen, die Gärtnerei und der Steinmetz befinden sich am südöstlichen Rand des Grundstückes.


ProgrammKrematorium und Friedhofsanlage
StatusDiplomarbeit TU Braunschweig, Imke Woelk
OrtNussberg, Braunschweig, Deutschland
LeistungenProgramm- und Standortanalyse, Strategische Entwicklung, künstlerisches Konzept, technisches Konzept, Entwurfsplanung, Visualisierung

Datum1993

NACH OBEN ↑